Dienstbarkeit
Dieser Glossarartikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann keine individuelle Rechtsberatung durch einen Notar oder Fachanwalt ersetzen. Wir bitten Sie, alle konkreten Fragen und Entscheidungen zu Dienstbarkeiten und deren Auswirkungen immer mit einem juristischen Experten zu klären.
Definition
Eine Dienstbarkeit ist ein sogenanntes dingliches Recht, das ein Grundstück zugunsten einer anderen juristischen oder natürlichen Person oder eines anderen Grundstücks in bestimmter Weise belastet. "Dinglich" bedeutet hierbei, dass das Recht unmittelbar an der Sache, also dem Grundstück, selbst haftet.
In der Praxis verpflichtet die Dienstbarkeit den Eigentümer des dienenden Grundstücks (das belastete Grundstück) dazu:
- etwas zu dulden (z.B. die Überfahrt des Nachbarn),
- etwas zu unterlassen (z.B. eine bestimmte Bebauung oder Gewerbenutzung), oder
- dass der Berechtigte ein Recht ausübt, das dem Eigentümer eigentlich zustehen würde.
Der Begünstigte, sei es der Eigentümer eines anderen Grundstücks oder eine bestimmte Person (natürlich wie juristisch), hat das Recht, die Dienstbarkeit in der vereinbarten Weise auszuüben.
Unterschiedliche Arten von Dienstbarkeiten & die Rangfolge
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterscheidet im Wesentlichen zwei Hauptformen der Dienstbarkeit, die sich primär in ihrer Bindung unterscheiden:
1. Die Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB)
Die Grunddienstbarkeit ist grundstücksbezogen. Sie dient immer dem jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks (dem herrschenden Grundstück). Sie haftet an diesem Grundstück, nicht an der Person des Eigentümers.
- Zweck: Sie muss dem herrschenden Grundstück einen objektiven Vorteil verschaffen (z.B. ein besseres Recht zum Bauen oder die bessere Erreichbarkeit).
- Typische Beispiele: Wegerecht (Zugang zum Grundstück), Leitungsrecht (Verlegung von Rohren/Kabeln), Bebauungsbeschränkungen (zur Sicherung der Aussicht).
2. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB)
Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist personenbezogen. Sie wird zugunsten einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person eingeräumt, ohne dass diese Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks sein muss.
- Zweck: Sie ermöglicht der begünstigten Person die punktuelle Nutzung eines fremden Grundstücks. Inhaltlich kann sie die gleichen Rechte regeln wie eine Grunddienstbarkeit (z.B. ein Wegerecht oder, im Falle von Solaranlagen bspw., das Recht zur Errichtung und zum Betrieb der Anlagen).
- Besondere Formen: Das Wohnrecht ist die bekannteste Form (§ 1093 BGB).
Die Bedeutung der Rangfolge
Unabhängig von der Art der Dienstbarkeit ist ihr Rang im Grundbuch von großer Wichtigkeit. Dieser bestimmt, welche Rechte im Falle einer Zwangsversteigerung oder bei einem Konflikt Vorrang haben:
- Erstrangige Dienstbarkeit: Steht im Rang vor anderen Belastungen (z.B. Grundschulden der Banken). Sie bleibt bei einer Versteigerung bestehen und bietet dem Berechtigten die höchste Sicherheit.
- Nachrangige (z.B. zweitrangige) Dienstbarkeit: Steht im Rang hinter den vorrangigen Rechten. Sie wird bei einer Zwangsversteigerung in der Regel gelöscht, wenn der Erlös zur Befriedigung der vorrangigen Gläubiger benötigt wird.
Daher ist es für Dienstbarkeitsberechtigte wie beispielsweise Anlagenbetreiber zur Absicherung ihrer langfristigen Investitionen entscheidend, dass die Dienstbarkeit im ersten Rang eingetragen wird.
Unterschied Nießbrauch und Dienstbarkeit
Neben der Dienstbarkeit gibt es auch noch den Nießbrauch nach §1030 ff. BGB, der auch ein dingliches Nutzungsrecht regelt. Allerdings unterscheidet sich der Nießbrauch im Umfang erheblich von der Dienstbarkeit. So räumt der Nießbrauch dem Begünstigten das umfassende Recht ein, die Sache voll zu nutzen und sämtliche Erträge, die sogenannten Früchte (z. B. Mieteinnahmen), zu ziehen.
Zusammenfassend: Die Dienstbarkeit gewährt nur eine Teilnutzung oder eine Duldungspflicht, während der Nießbrauch ein umfassendes Recht zur Nutzung und Fruchtziehung, also Anspruch auf Mieten oder andere Erträge, gewährt – fast wie ein Eigentümer.
Möglichkeiten zur Erteilung einer Dienstbarkeit
Es gibt grundsätzlich zwei Wege, eine Dienstbarkeit zu erteilen:
Fazit: Für eine dauerhafte und veränderungsresistente Absicherung der Nutzungsrechte an einem Grundstück, die auch einen Eigentümerwechsel überdauern soll, ist die Eintragung in das Grundbuch unerlässlich. Für kurzfristige Absprachen mag ein Vertrag genügen, bietet aber keine umfassende Sicherheit.
Die Betreiberdienstbarkeit für Energieanlagenbetreiber
Betreiber von Energieanlagen benötigen die Dienstbarkeit in erster Linie, um das Eigentum an den Anlagen dinglich zu sichern und so die Finanzierung des Projekts zu ermöglichen. Ohne Dienstbarkeit stellt ein Verkauf des Grundstücks oder eine sonstige Veränderung ein großes Risiko dar, dass der Anlagenbetreiber nicht mehr die Erträge der Anlage erhält. Vor diesem Risiko scheuen die meisten Banken zurück, was die Finanzierung erschwert wenn nicht sogar unmöglich macht.
1. Die Art des Rechts: Die insolvenzfeste Betreiberdienstbarkeit
Ein Anlagenbetreiber sichert sich in der Regel eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§1090 BGB), branchenüblich als Betreiberdienstbarkeit oder Standortdienstbarkeit bezeichnet.
- Der Grund: Die Anlage (PV und Speicher) bleibt im Eigentum des Anlagenbetreibers. Die Dienstbarkeit sichert das Recht, die Anlage auf dem fremden Grundstück dauerhaft zu betreiben und zu warten.
- Kein Übergang an den Grundstückseigentümer: Die Dienstbarkeit verhindert den automatischen Übergang der Anlage in das Eigentum des Grundstückseigentümers. Das wäre sonst gemäß dem Grundsatz der festen Verbindung (§§94 und 946 BGB) der Fall. Dieser Grundsatz besagt, dass fest mit einem Grundstück verbundene Gegenstände wie eine montierte Solaranlage zum Eigentum des Grundstückseigentümers werden - durch die Dienstbarkeit wird das verhindert.
2. Die doppelte Absicherung im Grundbuch (Abteilung II & III)
Um dieses Recht gegenüber einer möglichen Insolvenz des Anlagenbetreibers sowie des Grundstückeigentümers abzusichern und die Finanzierung der Anlage zu sichern, wird die Absicherung in zwei Abteilungen des Grundbuchs verankert, die unterschiedliche Funktionen erfüllen:
Abteilung II: Sichert das Nutzungsrecht (Das "Dürfen")
- Zweck: Hier wird die eigentliche Betreiberdienstbarkeit eingetragen, die dem Betreiber das Nutzungs- und Besitzrecht and der Anlage sichert.
- Was wird gesichert? Ohne diese Eintragung würde die Anlage Eigentum des Grundstückseigentümers. Die Eintragung in Abteilung II ist somit die juristische Basis für die Existenz der Anlage im Contracting-Modell.
- Vorteil für den Kunden: Dieses dingliche Recht ist die Voraussetzung dafür, dass die Anlage überhaupt finanziert werden kann. Es schützt die Anlage davor, im Falle einer Insolvenz des Betreibers oder einer Zwangsversteigerung des Grundstücks gelöscht oder zurückgebaut zu werden. Das garantiert die dauerhafte Existenz der Energieversorgung vor Ort.
Abteilung III: Sichert den Geldwert (Das "Finanzielle Müssen")
- Zweck: Hier wird eine Grundschuld eingetragen, die die Bank als Sicherheit für den Kredit zur Anlagenfinanzierung benötigt.
- Was wird gesichert? Der monetäre Wert der Investition.
- Der Schutz: Die Grundschuld gewährleistet, dass die Bank – als ultimativer Sicherungsnehmer – bei Betreiber-Insolvenz den Zugriff auf die Anlage und das Recht zum Weiterbetrieb erhält. Das minimiert das Ausfallrisiko für den Kunden, da der Betrieb fortgesetzt werden muss, um den Wert der Sicherheit zu erhalten.
Zusammenfassend: Die Betreiberdienstbarkeit ist ein Sicherheitsinstrument, das sicherstellt, dass die Energieversorgung durch die Anlagen dauerhaft und unabhängig von möglichen wirtschaftlichen Turbulenzen auf Betreiberseite oder auf Kundenseite gewährleistet ist.
Vor- und Nachteile von Dienstbarkeiten
Juristisch gesehen stellt eine Dienstbarkeit formal immer eine Belastung des Grundstücks dar. Diese Belastung muss jedoch ins Verhältnis zu den erhaltenen Vorteilen und der tatsächlichen Auswirkung gesetzt werden - der Kontext einer Dienstbarkeit ist also immer relevant für die Abwägung. Geht es im konkreten Fall um die Erteilung einer Dienstbarkeit für die Errichtung einer PV-Anlage, überwiegen die Vorteile in der Regel die Belastung:
Die Belastung: Formal, aber gering
- Belastung für die Bank: Die Dienstbarkeit kann die Finanzierung des Grundstücks durch eine Bank des Käufers tangieren, da sie im Grundbuch eingetragen ist. Die finanzierende Bank muss in der Regel im Rang hinter der Dienstbarkeit zurücktreten. Das stellt jedoch meist kein Problem dar, da der Wert der Energieanlage meistens nur einen kleinen Bruchteil des Grundstückswerts beträgt.
- Belastung für einen Käufer: Potenziell könnte sich ein Käufer an der Belastung stören.
Die Aufwertung: Mehrwert und Flexibilität
Die formale Belastung wird je nach Abwägung durch die Vorteile der Energieanlage und der Flexibilität für den Käufer ****kompensiert:
- Energetische Aufwertung: In den meisten Fällen stellen Energieanlagen eine Aufwertung des Objekts dar, da sie einen nachhaltigeren und günstigeren Betrieb ermöglichen. Das macht das Gebäude für eine wachsende Zahl von Nutzern und Investoren attraktiver.
- Günstiger Strompreis oder Mietzahlungen: Wenn der neue Eigentümer den Stromliefervertrag übernimmt, profitiert auch er von günstigen Strompreisen. Wurde die Dachfläche für eine Volleinspeiseranlage vermietet, erhält der Eigentümer dafür Mietzahlungen. Das erhöht die Rendite.
Fazit: Bei der Errichtung einer Energielösung im Contracting-Modell dient die Dienstbarkeit als rechtliche Absicherung des Anlagenbetriebs, dessen Vorteile (günstiger Strom, Nachhaltigkeit) die formale Belastung in der Regel überwiegen.
Ebenfalls wichtig zu wissen: Die Dienstbarkeit erlischt mit dem Ende des Vertrages, den Sie mit dem Anlagenbetreiber abschließen, automatisch, also je nach Vertragslaufzeit nach 20-30 Jahren.
Der Weg zur Eintragung und Kosten
Die Eintragung einer Dienstbarkeit ist ein formeller Akt und muss durch einen Notar beurkundet werden.
Der Weg zur Eintragung
- Einigung: Die Parteien (Eigentümer des dienenden und des herrschenden Grundstücks bzw. der Berechtigte) müssen sich über Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit einig sein.
- Notarielle Beurkundung: Die Einigung muss notariell beurkundet werden. Der Notar erstellt die entsprechende Urkunde und beantragt die Eintragung beim Grundbuchamt.
- Eintragung: Die Dienstbarkeit wird in Abteilung II & III des Grundbuchs des dienenden Grundstücks eingetragen. Erst mit der Eintragung wird das Recht dinglich und damit auch für Rechtsnachfolger (neue Käufer) bindend.
Die Kosten
Die Eintragung ist mit Kosten verbunden. Diese richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) und hängen vom Geschäftswert der Dienstbarkeit ab.
- Notarkosten: Für die Beurkundung des Vertrages und die Beantragung der Eintragung.
- Gerichts-/Grundbuchkosten: Für die eigentliche Eintragung durch das Grundbuchamt.
Der Geschäftswert ist der Wert, den die Dienstbarkeit für den Berechtigten hat. Bei einem zeitlich befristeten Recht kann er z.B. anhand des Jahreswertes hochgerechnet werden. Die Kosten staffeln sich nach dem Wert: Je höher der Geschäftswert, desto höher die Gebühren.
Nehmen wir als Beispiel eine 100 kWp Solaranlage, für die pro kWp 12 Euro Pacht/Jahr gezahlt wird, über eine Vertragslaufzeit von 20 Jahren also 24.000 Euro Pacht anfallen. Nach der Gebührentabelle des GNotKG beträgt die volle Gebühr (1,0) für eine Dienstbarkeit mit diesem Geschäftswert 115 €.
Die Gesamtkosten für die Eintragung setzen sich wie folgt zusammen:
- Notargebühr (Beurkundung): Der Notar erhält für diese Leistung in der Regel nur eine 0,5-fache Gebühr (57,50 €).
- Gerichtsgebühr (Eintragung): Das Grundbuchamt verlangt für die Eintragung eine 1,0-fache Gebühr (115,00 €).
Die Gesamtkosten (netto, ohne Mehrwertsteuer und Auslagen) belaufen sich damit auf die Summe aus Notar- und Gerichtsgebühren (57,50 €+115,00 €), also 172,50 €. Zusätzlich fallen noch die Mehrwertsteuer sowie weitere Auslagen an. Man kann in diesem Beispiel also von Gesamtkosten von 200-250 Euro für die Eintragung der Dienstbarkeit ausgehen.
In der Regel trägt derjenige die Kosten, der von der Dienstbarkeit profitiert (also der Berechtigte, z.B. enerkii oder der Nachbar).
