Atypische Netznutzung: Wie Unternehmen ihre Stromkosten massiv senken können

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Aktualisiert am:

23.6.2025

Die Energiewende setzt das Stromnetz in Deutschland unter Druck. Die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ist nicht nur regional ungleich verteilt, sondern auch volatil: Von Windkraft erzeugter Strom muss mittels Trassen vom Norden Deutschlands in den Süden transportiert werden, außerdem muss mehr Regelleistung vorgehalten werden, um Schwankungen im Stromnetz ausgleichen zu können.

Doch der Netzausbau ist teuer. Und diese Kosten trägt der Letztverbraucher über die Netzentgelte. Um den Ausbaubedarf gering zu halten, setzen Netzbetreiber daher gezielte Anreize, um die bereits bestehende Netznutzung zu optimieren und Lasten gleichmäßiger zu verteilen. Ein solches Werkzeug ist die atypische Netznutzung.

Bei der atypischen Netznutzung können Stromverbraucher - also zum Beispiel Unternehmen mit großem Stromverbrauch - gemäß der Stromnetzentgeltverordnung (§ 19 StromNEV) von reduzierten Netzentgelten profitieren, indem sie ihren Netzbezug bewusst aus sogenannten Hochlastzeitfenstern in andere Zeitfenster verlagern. Wie das funktioniert, für wen das interessant ist und welches Einsparpotenzial in der atypischen Netznutzung liegt, erfahren Sie hier im Überblick.

So funktioniert die atypische Netznutzung

Atypische Netznutzung ist eine Möglichkeit für Unternehmen mit steuerbarem Stromverbrauch, ihre Netzentgelte erheblich zu senken. Normalerweise zahlen Unternehmen Netzentgelte, bestehend aus Arbeitspreis und Leistungspreis, die sich nach ihrem individuellen Lastprofil richten. Bei der atypischen Netznutzung handelt es sich jedoch um eine Ausnahme von dieser Regel gemäß § 19 StromNEV. Hierbei profitieren Betriebe, die ihren Stromverbrauch aktiv so steuern können, dass sie die Hochlastzeiten ihres jeweiligen Stromnetzes meiden. Das bedeutet, sie verlagern große Teile ihres Verbrauchs in Zeiten geringerer Netzauslastung oder glätten ihre Lastspitzen während der Hochlastzeitfenster. Dadurch entlasten sie das Stromnetz zu kritischen Zeiten und werden dafür mit deutlich reduzierten Netzentgelten - man spricht auch von individuellen Netzentgelten - belohnt.

Mit diesen einfachen Formeln können Sie Ihre Netzentgeltkosten berechnen.

Die Hochlastzeitfenster werden von den Netzbetreibern jährlich für jede Spannungsebene einzeln ermittelt, und zwar auf Basis der historischen Auslastungsdaten des gesamten Netzes. Der Netzbetreiber sammelt über ein Jahr hinweg detaillierte Stromverbrauchsdaten seines Versorgungsgebiets in 15-Minuten-Intervallen. Anhand dieser Daten identifiziert er die Zeiträume, in denen die Gesamtlast im Netz am höchsten war - also die Momente, in denen das Netz am stärksten beansprucht wurde. Diese Ermittlung erfolgt getrennt für jede Jahreszeit (siehe Tabelle) und Spannungsebene und berücksichtigt ausschließlich Werktage, da hier die größten Lastspitzen auftreten.

Jahreszeit Frühling Sommer Herbst Winter
Zeitraum 1. März bis 31. Mai 1. Juni bis 31. August 1. September bis 30. November 1. Dezember bis 28./29. Februar

Die genaue Methodik dieser Ermittlung ist von der Bundesnetzagentur (BNetzA) in § 19 StromNEV festgelegt. Die ermittelten Hochlastzeitfenster werden anschließend von den Netzbetreibern auf ihrer Webseite veröffentlicht, und zwar zum 31. Oktober für das kommende Jahr. Wer schnell herausfinden möchte, wo die Hochlastzeitfenster des eigenen Netzbetreibers liegen, googelt dafür am besten den Namen des Netzbetreibers zusammen mit dem Schlagwort “Hochlastzeitfenster”.

Wie qualifiziere ich mich für die atypische Netznutzung?

Um sich für die atypische Netznutzung zu qualifizieren, müssen drei Aspekte betrachtet werden:

  • Absolute Reduzierung – >100 kW: Die Leistung in den Hochlastzeitfenstern muss mindestens 100 kW unter der sonstigen Höchslast liegen.
  • Relative Reduzierung – >5-30%: Je nach Spannungsebene muss die Leistung in den Hochlastzeitfenstern 5-30% unter der sonstigen Höchstlast liegen.
  • Bagatellgrenze – >500€ Ersparnis: Die jährliche Ersparnis muss mindestens 500 Euro betragen.

Zusammengefasst bilden diese drei Kiterien die sogenannte Erheblichkeitsschwelle. Sie dient dazu, dass die atypische Netznutzung nur Letztverbrauchern zur Verfügung steht, wenn deren Lastprofil nennenswert von der Auslastung des Netzes abweicht.

Für die relative Lastreduzierung gelten aktuell folgende Schwellen:

Spannungsebene Schwelle
Höchstspannung 5%
Höchst-/Hochspannung 10%
Hochspannung 10%
Hoch-/Mittelspannung 20%
Mittelspannung 20%
Mittel-/Niederspannung 30%
Niederspannung 30%

Ist die atypische Netznutzung für mich interessant - und wie viel kann ich damit einsparen?

Ob die atypische Netznutzung für Sie interessant ist, hängt stark von Ihrem individuellen Stromverbrauchsprofil ab. Sie ist besonders attraktiv für Unternehmen mit einem hohen Jahresstromverbrauch, die zudem die Möglichkeit haben, ihre Lastspitzen aktiv zu steuern und einen Großteil ihres Verbrauchs in Zeiten außerhalb der Hochlastfenster der Netzbetreiber zu verlagern.

Die atypische Netznutzung bietet ein erhebliches Potenzial zur Senkung Ihrer Netzentgelte, wenn Ihr Betrieb folgende Merkmale aufweist:

  • Flexible Prozesse: Sie können energieintensive Abläufe flexibel verschieben oder drosseln.
  • Vorhandensein von Speichern: Sie verfügen über einen Batteriespeicher oder können diesen integrieren.
  • Hoher Jahresstromverbrauch: Ihr Unternehmen hat einen signifikanten jährlichen Stromverbrauch.

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass Ihr Unternehmen auch so bereits ohne Mehraufwand für die atypische Netznutzung qualifiziert ist - das könnte zum Beispiel bei einem Backbetrieb der Fall sein, der Lastspitzen in der Nacht hat.

Für Unternehmen, die die Kriterien der Erheblichkeitsschwelle erfüllen und ihren Verbrauch erfolgreich in die Nebenlastzeiten verlagern, sind Einsparungen von bis zu 80 % der Netzentgelte möglich. Die genaue Höhe hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, primär aber vom Umfang Ihrer Lastverschiebung und der generellen Struktur Ihrer Stromkosten.

Eine detaillierte Analyse Ihrer Lastgänge durch einen unserer Experten kann Ihnen schnell Aufschluss darüber geben, ob sich diese Option für Sie rechnet.

Schritt für Schritt zur atypischen Netznutzung

1. Lastprofilanalyse und Potenzialermittlung

Zuerst müssen Sie Ihr bestehendes Stromverbrauchsprofil detailliert analysieren. Dazu brauchen Sie die Lastgangdaten der letzten zwölf Monate von Ihrem RLM-Zähler. Ziel ist es, die spezifischen Zeitpunkte und die Höhe Ihrer aktuellen Lastspitzen zu identifizieren.

2. Maßnahmen zur Lastglättung und -verschiebung

Basierend auf der Analyse gibt es verschiedene Strategien, wie Sie Ihre Last in den kritischen Hochlastzeitfenstern reduzieren können:

  • Prozessoptimierung: Verschiebung energieintensiver Produktionsschritte in Nebenlastzeiten (z.B. in die Nachtstunden oder am Wochenende).
  • Einsatz von Speichern: Nutzung von Batteriespeichern oder thermischen Speichern, um Strom außerhalb der Hochlastfenster zu laden und diesen dann zu Spitzenzeiten zu verbrauchen und so den Netzbezug zu reduzieren.
  • Intelligente Steuerung: Implementierung eines Energiemanagementsystems (EMS), das Verbräuche automatisch und dynamisch an die Netzauslastung anpasst.
  • Lastabwurf: Gezieltes, kurzeitiges Abschalten nicht-kritischer Verbraucher während der Hochlastphasen.

3. Antragstellung beim Netzbetreiber - noch bis zum 30. September möglich

Sobald die Maßnahmen geplant sind und Sie überzeugt sind, die Kriterien zu erfüllen, muss die atypische Netznutzung formell beim zuständigen Netzbetreiber beantragt werden. Das ist bis zum 30. September für das folgende Kalenderjahr möglich. Dem Antrag müssen in der Regel detaillierte Daten beigefügt werden, die belegen, dass Sie die Kriterien der Erheblichkeitsschwelle erfüllen und die Bagatellgrenze überschreiten, also zum Beispiel alte Lastprofile und Berechnungen der Einsparungen auf Basis der aktuellen Netzentgelte des Netzbetreibers. Zusätzlich wird noch eine Prognose Ihrer zukünftigen Lastprofile benötigt.

4. Nachweis und fortlaufende Überwachung

Nach der Genehmigung müssen Sie die vereinbarten Kriterien über das gesamte Jahr hinweg einhalten. Das bedeutet, dass Ihr Lastprofil tatsächlich den Nachweis erbringen muss, dass die Erheblichkeitsschwelle erreicht wurde. Dies wird durch kontinuierliche Messung und Dokumentation Ihrer Lastgangdaten überwacht. Bei Nichterfüllung können die Vergünstigungen ganz entfallen oder rückwirkend angepasst werden.

Der Nachweis über die Einhaltung der festgelegten Kriterien für das abgelaufene Kalenderjahr muss jährlich bis zum 30. Juni des Folgejahres bei der Bundesnetzagentur vorgelegt werden.

Wie wird sich das Modell der atypischen Netznutzung in Zukunft entwickeln?

Das aktuelle Modell der atypischen Netznutzung steht angesichts der fortschreitenden Energiewende vor Herausforderungen. Es verliert an Wirksamkeit, besonders in Netzen mit hoher Einspeisung erneuerbarer Energien.

Kritik an den bestehenden Anreizen äußert sich in der Befürchtung, dass die atypische Netznutzung:

  • Unter den aktuellen Bedingungen, vor allem durch statische Hochlastzeitfenster, nicht mehr die gewünschten Effekte zur Netzstabilisierung erbringt.
  • Potenziell sogar kontraproduktive Anreize setzen könnte.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, plant die Bundesnetzagentur, die atypische Netznutzung durch ein neues, flexibleres Sondernetzentgelt zu ersetzen. Dieses soll besser auf die Anforderungen der Integration erneuerbarer Energien abgestimmt sein.

Zukünftige Regelungen, wie dynamische Netzentgelte, eröffnen neue Potenziale. Eine dynamischere Form der Netzentgelte könnte weiterführende Erlöspotenziale im Multi-Use von Batteriespeichern ermöglichen. Klar ist: Die Flexibilität eines Batteriespeichers wird sich in Zukunft noch stärker auszahlen.

Atypische Netznutzung mit enerkii: Ihr Partner für maximale Einsparungen

Der Weg zur optimierten Netznutzung erfordert eine genaue Analyse, strategische Planung und die konsequente Umsetzung von Lastmanagement-Maßnahmen.  Wenn Sie das Potenzial der atypischen Netznutzung für Ihr Unternehmen ausschöpfen möchten, stehen wir Ihnen bei enerkii mit unserer umfassenden Expertise zur Seite. Mit uns wird der Weg zur Kostenoptimierung einfach und unkompliziert: Wir bieten Ihnen einen Rundum-Service, der Ihnen die Vorteile der atypischen Netznutzung ohne eigenen Aufwand, Risiko und hohe Investitionen ermöglicht:

  • Eignungsprüfung: Wir analysieren Ihr Lastprofil detailliert und prüfen, ob Ihr Unternehmen die Kriterien für die atypische Netznutzung erfüllt.
  • Antragstellung: Wir übernehmen die gesamte Antragstellung beim Netzbetreiber und stellen sicher, dass alle notwendigen Unterlagen fristgerecht und vollständig eingereicht werden.
  • Speicherlösung CAPEX-frei: Im Rahmen unseres Energy-as-a-Service-Modells planen, errichten und finanzieren wir die notwendigen Batteriespeicher, die Sie zur Lastverschiebung benötigen – ganz ohne eigene Anfangsinvestitionen (CAPEX-frei).

So optimieren Sie Ihre Energiekosten nachhaltig und leisten gleichzeitig einen Beitrag zur Netzstabilität.