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Aktualisiert am:
9.9.2025
Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren, ist mittlerweile keine Herausforderung mehr. Doch der nachhaltig erzeugte Strom hat einen entscheidenden Nachteil: Die Produktion kann nicht – wie bei konventionellen Kraftwerken – gesteuert werden. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wird also die Angebotsseite des Strommarkts inflexibler. Scheint die Sonne und weht der Wind, gibt es ein hohes Angebot an günstigem Strom. Andersrum ist der Strom an windstillen und bedeckten Tagen teurer.
Der Ausbau von Speicherkapazitäten - insbesondere von Großspeichern, die direkt ans Netz angebunden sind - ist deshalb zentral für die Energiewende. Große Speicher können das Netz entlasten, indem sie überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen zu Zeiten überschüssiger Erzeugung einspeichern. Zu einem späteren Zeitpunkt kann der gespeicherte Grünstrom dann flexibel abgerufen werden, wodurch der Einsatz von konventionellen Kraftwerken reduziert wird.
Technisch ist das schon lange umsetzbar. Speicherkapazitäten werden immer günstiger, und immer mehr Unternehmen sehen in Großbatteriespeichern einen klaren Business Case. Aktuell verzeichnen die Netzbetreiber Netzanschlussanfragen für Batterien mit einer Kapazität im dreistelligen Gigawattstunden-Bereich – und das ohne jegliche Subventionen. Großbatterien eröffnen also schon heute die Möglichkeit, den Umbau des Stromsystems wirtschaftlich voranzutreiben.
Trotzdem wird der Zubau von Speichern immer wieder in Frage gestellt. Netzbetreiber befürchten, dass die Speicher das Netz mehr belasten als entlasten könnten. Und im jüngsten Versorgungsbericht der Bundesnetzagentur wurden Speicher nur in einem Nebensatz erwähnt. Es sei zu komplex, die Auswirkungen von Großspeichersystemen auf das Stromnetz zu modellieren.
In diesem Artikel wollen wir die wichtigsten Fragen rund um Großspeicher beantworten und die politische Debatte einordnen. Wir klären:
Großbatteriespeicher, auch Großbatterien oder Batteriespeicherkraftwerke genannt, lassen sich klar von anderen Speichermodellen abgrenzen. Sie sind erheblich größer (üblicherweise größer als 500 kWh) und dienen primär dazu, Strom nach Bedarf aus dem Netz einzuspeichern und wieder einzuspeisen. Großspeicher sind also – anders als Heim- und Gewerbespeicher – keinem einzelnen Verbraucher zugeordnet.
Im Haushaltskontext werden Batteriespeicher meist in Kombination mit einer Photovoltaikanlage zur Eigenverbrauchsoptimierung oder zusammen mit einem dynamischen Stromtarif zur Strompreisoptimierung eingesetzt und haben typischerweise eine Kapazität von 5 bis 15 kWh. Gewerbespeicher sind größer und vielseitiger einsetzbar, etwa zur Lastspitzenkappung. Ihre Kapazitäten können bis in den einstelligen MWh-Bereich reichen.
Großbatteriespeicher dienen keinem direkten Endabnehmer, sondern agieren als eigenständiger Akteur am Strom- und Regelenergiemarkt. Sie sind direkt an das Stromnetz angeschlossen, um Systemdienstleistungen wie die Stabilisierung der Netzfrequenz durch die Bereitstellung von Regelleistung zu erbringen oder am Stromhandel teilzunehmen. Die untere Grenze für Großbatteriespeicher wird von Direktvermarktern oft bei 1 MWh angesetzt - die braucht es, um am Regelleistungsmarkt teilnehmen zu können -, nach oben gibt es kaum Grenzen. Der aktuell größte Batteriespeicher (Stand September 2025), das Edwards & Sanborn Projekt in Kalifornien, hat eine Kapazität von über 3 GWh.
Großbatteriespeicher werden in Deutschland hauptsächlich für drei Zwecke eingesetzt: den Stromhandel, die Teilnahme am Regelleistungsmarkt und das virtuelle Trading.
Beim Stromhandel nutzen Großbatterien die Schwankungen der Strompreise. Bei niedrigen oder sogar negativen Preisen kaufen und speichern sie Strom. Steigt der Preis wieder, weil das Angebot sinkt und die Nachfrage steigt, wird der gespeicherte Strom gewinnbringend verkauft. Dieser Prozess hat nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine ökologische Komponente: Meistens führt ein Überschuss von Solar- oder Windkraftstrom zu niedrigen Preisen. Die Speicherung und spätere Nutzung von diesem günstigem Grünstrom trägt dazu bei, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und den Einsatz konventioneller Kraftwerke zu reduzieren.
Netzbetreiber halten Reserven vor, um bei einem Frequenzanstieg oder -abfall im Stromnetz schnell reagieren zu können. Über den Regelleistungsmarkt beschaffen sie die notwendige Leistung, um die Stabilität – also die Balance zwischen Einspeisung und Bezug – des Stromnetzes zu gewährleisten. Großbatterien sind hierfür ideal, da sie innerhalb von Sekundenbruchteilen auf Ungleichgewichte reagieren können. Sie entziehen dem Netz Strom, indem sie ihn einspeichern, wenn ein Überangebot besteht, oder speisen Strom ein, wenn die Nachfrage den Bedarf übersteigt. Für die Bereitstellung dieser schnellen Reaktionsfähigkeit und das Vorhalten der Kapazität werden die Betreiber vergütet.
Ein weiterer, zunehmend wichtiger Anwendungsbereich für Großbatteriespeicher ist das virtuelle Trading. Dabei nutzen Händler Batteriespeicher als strategisches Back-up, um ihre Handelsgeschäfte abzusichern. Ziel ist es, von Preisunterschieden auf dem Strommarkt zu profitieren, indem Kauf- und Verkaufsgeschäfte zeitlich versetzt getätigt werden. Zum Beispiel kauft ein Händler um 6 Uhr morgens 1 MW Strom für die Lieferung um 12 Uhr mittags zu einem Preis von 100 €. Steigt der Preis für die 12-Uhr-Lieferung um 10 Uhr auf 200 €, kann der Händler den zuvor gekauften Strom virtuell wieder verkaufen und so einen Gewinn von 100 € erzielen, ohne den Speicher physisch nutzen zu müssen. Das Verhältnis von virtuellen zu physischen Trades liegt laut Brancheninsidern mittlerweile bei etwa 4 zu 1. Der Batteriespeicher wird nur dann physisch be- oder entladen, wenn der Händler es nicht schafft, seine Handelsposition virtuell aufzulösen. In diesem Sinne fungiert der Speicher als eine Art Versicherung, die es ermöglicht, Risiken zu minimieren und Arbitragegewinne zu maximieren.
Aktuell liegen den Netzbetreibern laut regelleistung-online.de Netzanschlussbegehren für Großbatteriespeicher mit einer Gesamtkapazität über 500 Gigawattstunden vor. Das enorme Interesse an diesem Markt hat mehrere Gründe:
In den letzten Jahren sind die Preise für Speicherkapazitäten dank rasanter technologischer Fortschritte, insbesondere bei Lithium-Ionen-Batterien, stark gesunken. Dies macht Investitionen in Großbatteriespeicher wirtschaftlich immer attraktiver. Aktuell rechnen Unternehmen mit etwa 300.000 Euro Umsatz pro MW und Jahr. Das bedeutet, dass sich Speicher im Schnitt binnen 2 bis 3 Jahren amortisieren. Gleichzeitig geben Hersteller 7-10 Jahre Garantie auf die Speicherinfrastruktur. Man kann also davon ausgehen, dass Speicher nach der Amortisation noch viele Jahre lang profitabel betrieben werden können und so erhebliche Gewinne erzielen.
Parallel dazu sind Energieexperten davon überzeugt, dass Speicherlösungen für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien unverzichtbar sind, der Ausbau in den kommenden Jahren also unweigerlich vorangetrieben wird.
Derzeit ist die Netzentgeltbefreiung ein weiterer Anreiz für den schnellen Ausbau von Großbatteriespeichern. Großbatteriespeicher werden aktuell nicht als Endverbraucher eingestuft, weshalb auf ihren Strombezug keine Netzentgelte anfallen. Da diese Befreiung voraussichtlich nur bis Ende 2029 gilt, haben Unternehmen ein großes Interesse daran, ihre Projekte schnell umzusetzen. Sie profitieren so noch, solange die Befreiung in Kraft ist.
Allerdings bestehen auch Risiken. Die Branche rechnet fest damit, dass die Netzentgeltbefreiung nach 2029 entfällt und auch heute errichtete Speicher dann Netzentgelte zahlen müssen. Zudem müssen die Speicherbetreiber bereits jetzt hohe und regional stark variierende Baukostenzuschüsse für den Netzanschluss entrichten, was die Amortisation der Speicher zusätzlich beeinflusst. Daher sind Unternehmen bestrebt, ihre Projekte schnell zu realisieren, um die volle Wirkung der aktuellen Marktvorteile auszuschöpfen, bevor sich der regulatorische Rahmen ändert.
Trotz der enormen Anzahl an Netzanschlussbegehren geht der Ausbau von Großbatteriespeichern in Deutschland aber nur schleppend voran. Das liegt auch an einer Überlastung der Netzbetreiber: Sie sehen sich mit einer Flut von Anträgen konfrontiert, die sie kaum bewältigen können.
Viele dieser Projekte befinden sich in einem frühen Stadium, haben keine gesicherte Finanzierung oder sind technisch noch nicht ausgereift. Da Großspeicher rechtlich als Erzeugungsanlagen gelten, sind die Netzbetreiber verpflichtet, jedes Begehren zu prüfen – ein Prozess, der Kapazitäten bindet.
Zudem befürchten die Netzbetreiber, dass ein ungeplanter Ausbau an ungünstigen Standorten die Netze zusätzlich belasten könnte, anstatt sie zu entlasten. Es fehlen aus ihrer Sicht die regulatorischen Anreize, die Speicherbetreiber zu einem netzdienlichen Verhalten motivieren. Dies führt zu einem Engpass, bei dem die Nachfrage der Industrie auf bürokratische und infrastrukturelle Hürden trifft.
Ein weiterer, wesentlicher Grund für den schleppenden Ausbau von Batteriespeichern liegt in den bürokratischen Hürden, die den Genehmigungsprozess verlangsamen. Die Betreiber beklagen sich insbesondere über die fehlende Vereinheitlichung der Verfahren.
Da Batteriespeicher rechtlich weder eindeutig als Erzeugungs- noch als Verbrauchsanlagen definiert sind, fehlt es an klaren gesetzlichen Regelungen für den Netzanschluss und die Baugenehmigung. Dies führt zu einem "regulatorischen Vakuum", wie es von Branchenvertretern beschrieben wird. Hinzu kommen strenge Auflagen, insbesondere im Bereich des Brandschutzes, die je nach Kommune oder Netzbetreiber variieren können. Diese unklaren und komplexen Vorgaben verzögern die Projekte erheblich und erhöhen die Planungsunsicherheit für Investoren.
Im Kontext von Großbatteriespeichern wird oft die Frage der Netzdienlichkeit diskutiert: Tragen sie zur Netzstabilität bei oder belasten sie es zusätzlich? Um diese Debatte zu verstehen, muss man die Auswirkungen des Umstiegs auf erneuerbare Energien auf das deutsche Stromnetz kennen.
Erneuerbare Energien stellen das Netz vor zwei zentrale Herausforderungen, die bei konventionellen Kraftwerken so nicht existierten:
Das Ergebnis dieser neuen Gegebenheiten ist ein zunehmend überlastetes Stromnetz. Um die Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten, müssen Redispatch-Maßnahmen immer häufiger eingesetzt werden. Diese Maßnahmen korrigieren Abweichungen zwischen geplanter und tatsächlicher Einspeisung, sind aber mit erheblichen Kosten verbunden.
Netzbetreiber äußern im Zusammenhang mit Großbatterien die Sorge, dass diese das Netz mehr belasten könnten, als sie es entlasten, die Redispatch-Kosten also weiter in die Höhe treiben. Oft heißt es, die Batterien würden sich auf die Kosten des Netzes am Markt optimieren. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von NEON Energy im Auftrag eines großen Entwicklers von Speicherprojekten zeigt nun, dass das nicht der Fall ist.
Die Analysen zeigen, dass Großbatteriespeicher das Stromnetz weder pauschal entlasten noch belasten. Anhand der Daten lässt sich feststellen, dass eine Großbatterie das Netz in etwa gleich oft entlastet wie belastet – und zwar jeweils in rund 20 % der Zeit. In den restlichen 60 % der Viertelstunden steht die Batterie entweder still, oder das Netz ist frei von Engpässen.
Trotzdem leisten die Batterien einen finanziellen Beitrag: Über das Jahr gesehen reduzieren sie die Kosten für sogenannte Redispatch-Maßnahmen. Die Berechnungen für Standorte im Norden wie auch im Süden des Landes zeigen, dass sich Netzbetreiber durch eine Batterie Redispatch-Kosten von jährlich rund 3 bis 6 Euro pro kW an Batterieleistung einsparen. Zwar ist dieser Betrag im Vergleich zu den Gesamtkosten noch gering, doch er belegt das netzentlastende Potenzial von Großspeichern.
Die Autoren der Studie stellen klar, dass Großbatterien nicht per se netzbelastend sind. Vielmehr ist es das aktuelle Strommarktdesign, das verhindert, dass diese Speicher ihr volles netzdienliches Potenzial entfalten.
Das Problem: Im deutschen Strommarktdesign gibt es keine regionalen Preise. Netzengpässe werden nicht bepreist und sind für Batteriespeicher daher „unsichtbar“. Die netzentlastende Wirkung von Batterien ist damit rein zufällig und weit geringer, als sie sein könnte.
Um dieses Problem zu lösen und „das Beste aus den Batterien herauszuholen“, hat die Studie drei regulatorische Ansätze untersucht:
Im aktuellen Versorgungsbericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) wurden Großbatteriespeicher nur am Rande erwähnt, was in der Energiebranche für Kritik sorgte. Die BNetzA begründet dies mit der Komplexität der Modellierung der Auswirkungen von Großspeichern auf das Stromnetz.
Die Debatte zeigt eine Kluft zwischen der rasanten technischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Großspeichermarktes und den regulatorischen sowie planerischen Fähigkeiten der zuständigen Behörden. Während Unternehmen massiv in Speicher investieren, fehlt es der Politik und den Regulierungsbehörden an den nötigen Instrumenten und Daten, um diese Entwicklung in ihre Planungen zu integrieren und das volle Potenzial der Speicher zu heben. Die Branche fordert deshalb klarere Signale und eine schnellere Anpassung der Rahmenbedingungen, um die Netzdienlichkeit von Großspeichern zu belohnen und somit den Netzausbau zu reduzieren.
Der Status quo von Großbatteriespeichern in anderen Ländern unterscheidet sich stark von dem in Deutschland. Insbesondere in den USA und in Australien sind die Entwicklungen deutlich weiter fortgeschritten, was vor allem an den unterschiedlichen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen liegt. Aber auch innerhalb Europas sind andere Länder schon fortgeschrittener aus Deutschland:
Beide Länder gelten als globale Vorreiter im Bereich der Großbatteriespeicher. Sie profitieren von regionalen Strommärkten, die spezifische Preissignale für Netzengpässe senden. Dies macht es wirtschaftlich attraktiv, Speicher dort zu bauen, wo sie am dringendsten zur Stabilisierung des Netzes benötigt werden. Staatliche Förderprogramme, wie der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA, beschleunigen den Ausbau zusätzlich massiv.
Das Vereinigte Königreich ist in Europa führend. Der Markt wird hier vor allem durch spezielle Märkte für Netzdienstleistungen angetrieben, die die schnelle Reaktion von Batterien auf Schwankungen im Stromnetz gesondert vergüten. Das schafft klare finanzielle Anreize für Investoren.
Italien hat einen boomenden Markt, der primär durch den schnellen Ausbau der Solarenergie und den damit verbundenen Bedarf an Netzstabilisierung getrieben wird. Die Politik unterstützt den Aufbau von Speichern, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Frankreich, ein Land mit starker Kernenergie, setzt ebenfalls auf Speicher, wenn auch noch nicht in so großem Umfang. Das hier bestehende Kapazitätsmarktsystem bietet Speichern eine Vergütung für die bloße Bereitstellung von Kapazität, was ihnen eine finanzielle Stabilität jenseits des reinen Stromhandels ermöglicht.
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