Ab dem 1. Oktober: Strombörse stellt Day-Ahead-Handel um

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Aktualisiert am:

9.9.2025

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Ab dem 1. Oktober 2025 stellt die europäische Strombörse den Day-Ahead-Handel von stündlichen auf 15-minütige Intervalle um. Diese Anpassung ist ein großer Schritt, um Schwankungen in Angebot und Nachfrage realitätsnäher abbilden zu können. Was die Umstellung bezwecken soll und wie sie sich auf Verbraucher auswirkt:

So funktioniert der Stromhandel: Day-Ahead vs. Intraday

Um die Bedeutung dieser Umstellung zu verstehen, ist es hilfreich, die Funktionsweise des Strommarktes zu kennen. Es gibt zwei Haupthandelsplätze:

  • Day-Ahead-Markt: Das ist der zentrale Handelsplatz, auf dem Strom für den folgenden Tag gekauft und verkauft wird. Die Gebote werden bis zum Mittag des Vortages abgegeben. Hauptplattform für den europäischen Handel ist die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig. Der Handel erfolgt über eine stündliche – künftig viertelstündliche – Auktion. Anhand der Gebote und Angebote von Erzeugern, Verbrauchern und Händlern wird bis 12:00 Uhr mittags des Vortages ein Preis für jeden Slot des Folgetages ermittelt. Die Preise für den Folgetag werden dann um 12:40 Uhr veröffentlicht.
  • Intraday-Markt: Dieser Markt dient der Feinjustierung und gleicht kurzfristige Abweichungen aus. Er startet nach Ende des Day-Ahead-Handels und läuft bis kurz vor der Lieferung des Stroms. Wenn beispielsweise weniger Wind weht als erwartet, können Stromanbieter hier kurzfristig Strom nachkaufen oder verkaufen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dieser Markt ist besonders dynamisch und reagiert direkt auf unvorhergesehene Ereignisse.

Das ändert sich an der Strombörse

Bislang mussten Markteilnehmer im Intraday-Handel nachjustieren, wenn Angebot und Nachfrage innerhalb einer Stunde von der Prognose am Day-Ahead-Markt abwich, was in Zeiten volatiler Erneuerbarer Energien häufig vorkam.

Die Umstellung auf 15-Minuten-Intervalle ermöglicht es sowohl Erzeugern als auch Verbrauchern, ihre Produktion und ihren Bedarf noch genauer zu steuern. Die kurzfristigen Schwankungen von Wind- und Solarenergie werden so nicht mehr nur nachträglich im Intraday-Markt ausgeglichen, sondern von vornherein besser in der Day-Ahead-Prognose berücksichtigt.

Außerdem können Händler künftig neben den neuen 15-Minuten-Produkten auch 30-Minuten- und 60-Minuten-Produkte erwerben – und so individuelle Handelsstrategien weiter optimieren.

Die Umstellung ist Teil des europaweiten Projekts Single Day-Ahead Coupling (SDAC), das die nationalen Strommärkte enger miteinander verbindet. Ziel ist es, die Gesamteffizienz des europäischen Strommarktes zu steigern, wovon letztlich die Netzstabilität profitieren soll.

Preisbildung wird genauer

Mit der Umstellung verändert sich auch die Preisbildung. Der Preis am Day-Ahead-Markt wird nach dem Merit Order Prinzip ermittelt. Das bedeutete, dass die teuerste Erzeugungseinheit den Preis für einen gesamten Slot bestimmt – den sogenannten “Market Clearing Price”. Die künftig kürzeren Intervalle macht die Preisprognosen genauer und ermöglichen es, die typischen schnellen Produktionsanstiege und -abfälle von PV-Anlagen direkt im Day-Ahead-Preis abzubilden.

Ein europaweiter Algorithmus sorgt im Hintergrund für Transparenz: Er verarbeitet alle Gebote in einem festen Zeitfenster, um eine verlässliche Handelsabwicklung zu garantieren.

Zwar könnte diese feingranulare 15-Minuten-Struktur kurzfristig die Preisvolatilität erhöhen, also mehr Strompreisschwankungen auslösen, sie wird aber langfristig für mehr Planbarkeit sorgen, da weniger oft am Intraday-Markt nachjustiert werden muss.

Das Ziel: Ein nachhaltiger Strommarkt, der sich besser von selbst reguliert

Zusammen gefasst soll die Umstellung an der Börse bewirken, dass sich der Strommarkt noch effektiver gemäß den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage selbst reguliert. So soll der Weg für noch mehr Strom aus erneuerbaren Energien geebnet werden und gleichzeitig die Netze, die dringend ausgebaut werden müssen, entlastet werden, indem weniger Netzreserven benötigt werden.

Durch die feinere Taktung kann der Strommarkt besser Schwankungen bei Angebot und Nachfrage abbilden. Wenn beispielsweise an einem sonnigen, windigen Tag das Angebot an erneuerbaren Energien kurzfristig steigt, sinkt der Preis in diesem 15-Minuten-Intervall. Diese Preissignale geben Anbietern einen direkten Anreiz, in dieser Zeit weniger konventionelle Kraftwerke zu betreiben, während Verbraucher mit dynamischen Tarifen zum Verbrauchen angeregt werden. So müssen theoretisch weniger Netzreserven bereitgehalten bzw. abgerufen werden, die sonst das Netz ausgleichen müssten, sollten Angebot und Nachfrage nicht im Einklang sein.

Außerdem ermöglichen die neuen 15-Minuten-Intervalle eine bessere Vermarktung und einen effizienteren Einsatz der erneuerbaren Energien – wodurch diese lukrativer werden. Produzenten können ihren Strom in Phasen hoher Nachfrage und damit höherer Preise gezielter verkaufen, während die Preise in Zeiten hoher Einspeisung und niedrigem Bedarf genauer absinken.

Die Folge: Die Stromproduktion und der Verbrauch werden wirtschaftlich dazu motiviert, flexibler und damit smarter zu agieren. Verbraucher und Speicherlösungen wie Batterien werden dazu angeregt, Strom dann zu beziehen oder zu speichern, wenn das Netz viel Kapazität hat und Strom reichlich vorhanden ist. Das trägt ebenfalls zur Entlastung der Netze bei.

Was bedeutet das für die Verbraucher?

Auch wenn Verbraucher selbst in der Regel nicht am Strommarkt handeln, hat die Umstellung auf 15-Minuten-Intervalle am Day-Ahead-Markt konkrete Auswirkungen auf Strombezieher:

  • Direktvermarktung von Solarstrom wird attraktiver: Für Betreiber von PV-Anlagen kann sich die Direktvermarktung ihres Solarstroms künftig noch mehr lohnen. Die genauere Taktung ermöglicht es, den erzeugten Strom zu den tatsächlichen, oft höheren Marktpreisen in Spitzenzeiten zu verkaufen.
  • Dynamische Stromtarife zahlen sich aus: Wer einen dynamischen Stromtarif nutzt, kann von den häufiger schwankenden Preisen profitieren. Sie können Ihren Verbrauch gezielt in die Viertelstunden legen, in denen der Strom aufgrund hoher Erzeugung aus erneuerbaren Quellen besonders günstig ist – zum Beispiel mittags, wenn die Sonne am stärksten scheint. Das kann Ihre Stromkosten erheblich senken.
  • Batterien werden rentabler: Batterien, die zum Beispiel zur Strompreisoptimierung verwendet werden – auch Arbitrage genannt – können weiter optimieren, denn ihnen stehen nun 96 statt nur 24 Preise pro Tag zur Verfügung. Das macht solche Einsatzzwecke noch wirtschaftlicher.